...warum?
Warum Utopien.intersektional.erkämpfen?
Warum gerade dieses Motto? Warum ist uns Intersektionalität wichtig und wieso rücken wir dieses Jahr den Kampf um unsere Utopien in den Mittelpunkt?
Auf der IN*VISION wollen wir uns - gemeinsam mit euch und den eingeladenen Referent*Innen - für verschiedene Herrschaftsverhältnisse sensibilisieren, versuchen ihr Zusammenwirken zu begreifen und überlegen, wie intersektionale, feministische Bündnisse und Kämpfe aussehen können.
Die Kritik an weißen, mittelständigen "feministischen" Bewegungen ist bereits alt und wurde schon viel diskutiert. Denn schon 1851 stellte Sojourner Truth die Frage: "Ain't I A Woman?" und kritisierte damit, dass der Fokus auf eine vermeintlich gemeinsame Unterdrückung aufgrund von Geschlecht, die Rassismus- und Klassismuserfahrungen Schwarzer Frauen komplett ausklammerte.
Die Forderungen und feministischen Kämpfe von Schwarzen, Indigenous und FLT*I* of Color wurden damals sowie heute von weißen mainstream-feministischen Bewegungen marginalisiert und ent_wahrgenommen. Dabei bedeutet Feminismus die Gleichbehandlung – und berechtigung von allen Frauen, Lesben, Trans*- und Inter*-Personen, weshalb feministische Bewegungen nur dann effektiv sein können, wenn ALLE Identitäten und Positionierungen von ALLEN Menschen in Bezug auf die damit verbundenen gesellschaftlichen Diskriminierungserfahrungen mitbetrachtet werden.
„there is no such thing as a single-issue struggle because we do not live single-issue lives.“ – audre lorde
Da wir alle keine eindimensionalen Identitäten haben, sondern unsere Identitäten sich aus vielen verschiedenen Aspekten zusammensetzen, ist es unverzichtbar, dass wir im feministischen Diskurs die verschieden wirkenden Machtverhältnisse – Rassismus, Klassismus, Ableism, Cis-Sexismus und so weiter - mitdenken. Wir müssen sie in die Reflexion miteinbeziehen und dominante Positionen hinterfragen, sodass marginalisierte Personen und Gruppen, die in ihrer gesellschaftlichen Positionierung verschränkte Diskriminierungserfahrungen machen, eine Stimme erhalten.
Denn Machtverhältnisse wirken zusammen. Überall. Intersektional.
Den Begriff Intersektionalität verwendete 1989 erstmals Kimberlé Crenshaw, eine Schwarze US-amerikanische Juristin, in einem wissenschaftlichen Aufsatz. Sie war inspiriert von dem Bild einer Straßenkreuzung (intersection), an der sich Machtwege kreuzen, überlagern und überschneiden. Es ist wichtig zu erkennen, dass Mehrfachbetroffenheiten nicht nur einzeln und parallel nebeneinander, sondern ineinander verschränkt wirken und sich gegenseitig bedingen. Der Begriff Intersektionalität beschreibt damit also die oben beschriebenen verschiedenen und gleichzeitigen Diskriminierungen, die eine Person erleben kann und die nicht getrennt voneinander betrachtet werden können.
„if we aren’t intersectional, some of us, the most vulnerable, are going to fall through the cracks.“ – kimberle williams crenshaw
Auf der diesjährigen IN*VISION wollen wir unsere Utopien in den Mittelpunkt stellen. Gemeinsam wollen wir eine Zukunft entwerfen, in der es uns gut geht.
Utopie beschreibt einen perfekten "Nicht-Ort" in der Zukunft, also ein Ort, der weder war noch ist, aber sein könnte. Unsere tägliche politische Arbeit ist ein Kampf, macht müde und kann uns an, wenn nicht sogar über unsere Grenzen hinaus bringen. Meistens ist es ein Kampf gegen etwas. Uns ist bewusst, wie notwendig Antidiskriminierungsarbeit ist, dass wir Widerstand leisten und auf gesellschaftliche Missstände hinweisen müssen. Und doch ist es gleichzeitig schade, dass wir dabei manchmal aus den Augen verlieren, wofür wir eigentlich kämpfen und wo wir hinwollen: Wir haben eine (In*)Vision von einer besseren Gesellschaft, eine Utopie von der wir träumen.
Es gibt also neben dem gegen etwas auch ein für etwas. Was unser Grund, unser „wofür“ darstellt, wollen wir herausfinden und zwar intersektional. Indem wir unsere Utopien wieder in den Fokus rücken, möchten wir der Resignation und Erschöpfung entgegentreten und neue Kraft sammeln.
„dreams and reality are oppposites. action synthesizes them“ – assata shakur